Die Geschichte vom Türkenkämpfer Vlad Tepes
Was hat man ihm im Laufe der Jahrhunderte nicht alles angedichtet! Er sei der abscheulichste »wuterich und tirann« seiner Zeit gewesen, ein sadistischer Graf, der unschuldigen Schönen das Blut vom Hals abzapfte, wie es im 19. Jahnundert der Schauerroman ›Dracula‹ des Iren Bram Stoker behauptete. Und er sei als Triebtäter anzusehen, dessen Todesbiss auch noch ekstatische Wollustgefühle auslöste. Erotische Fantasien wie diese haben natürlich auch unzählige Dracula-Filme suggeriert.
Dabei war der historische Dracula Vlad III. Tepes ja eigentlich weder transsilvanischer Graf noch Wiedergänger, sondern wohl eher (walachisches) Kind seiner Zeit, wenn auch zugegebenermaßen ein grausames Exemplar.
Eigentlich wäre ja auch sein politischer Lebensweg im Dienste des Kleinstaats Walachei ziemlich vorbestimmt gewesen – hätten da nicht schon seit dem Ende des 14. Jh. die Osmanen in Wartestellung gelauert.
Für Vlad Tepes (1431–1477) hieß das nun, seine Jugendjahre als Geisel am Sultanshof verbringen zu müssen. Und als er dann doch auf den heimatlichen Thron gelangte, musste er sich mit den Beutezügen des Sultans herumschlagen. Trotzdem wagte es der Walachenfürst eine Zeit lang, den Osmanen keinen Tribut zu zahlen.
Den übrigen Mächtigen des Jahrhunderts, dem ungarischen König, dem deutschen Kaiser und dem Papst, war ja vom Intrigieren bis zum direkten Intervenieren damals jedes Mittel recht, die Schwäche der kleinen Fürstentümer zu konservieren. Als Pufferzonen zur Türkenabwehr waren sie ihnen nützlich. Was die direkte Hilfe anging, hielt man sich jedoch bedeckt.
Aber auch die politisch ›Kleinen‹ fielen sich gegenseitig in den Rücken, wo immer es ihnen gerade nützte. Solidarisches Handeln gegen die Osmanenheere schien unter den christlichen Bruderstaaten des 15. Jh. nicht möglich. Eine frustrierende Quintessenz, die auch Vlad Tepes ziehen musste.
Seinen Familiennamen „Dracul“ verdankte er übrigens dem deutschen Kaiser, der die Familie zu Drachenrittern, d. h. zu Türkenbekämpfern, geschlagen hatte. Schon geostrategisch war gerade Vlads Land also extrem gefährdet. Da brauchte Europa Draculas, also Drachenritter gegen die Osmanen.
Das mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass Vlad, den man aus Furcht bald Vlad Tepes (Vlad den Pfähler) nannte, innen- und außenpolitisch unbarmherzig durchgriff und vor Folter und Hinrichtung ausländischer Gesandter, Frauen, Kinder und Armer nicht Halt machte. Doch blieb er bei aller Härte gerecht und genoss als ›Werkzeug‹ der christlichen Türkenabwehr das Wohlwollen des Papstes – und das bei, grob geschätzt, einer Opferquote von mindestens 40 000 Menschen.
Aber im Spätmittelalter wurde auch anderswo per Gesetz so häufig ertränkt, gehängt, enthauptet, massakriert oder bei lebendigem Leib begraben, dass die Brutalität des Vlad Tepes nur als letzte Konsequenz eines erbarmungslosen Zeitalters gelten dürfte. Vampirische Eigenschaften zeigte der historische ›Dracula‹ dabei aber – das mögen Sie verzeihen – partout nicht. Die verlieh ihm erst Ende des 19. Jh. ein irischer Schriftsteller, der nie an den von ihm beschriebenen Schauplätzen war (wie Karl May nie im Wilden Westen).
Der heutige Rumänien-Besucher wiederum mag sich in Sighisoara der Geburtsstadt unseres ›Helden‹, oder auf dem angeblichen Dracula-Schloss Bran noch so eifrig auf die Suche machen: Das typische Vampir-Inventar aus offenen Särgen und schwarzroten Umhängen, aus Blutspuren und falschen Leichen mit Reißerzähnchen wird er hier (leider?) nicht finden. Sondern er wird Vlad, dem Türkenkämpfer, eher begegnen, wie der ihn fast schon freundlich von gemalten Souvenirtellern aus anblickt.
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